Für diejenigen von Euch, die nicht mit der Welt der extremen Langstrecken-Hindernislaufrennen vertraut sind, möchte ich kurz dieses einzigartige Event erklären. World’s Toughest Mudder ist ein 24-Stunden-Hindernislauf, der von Tough Mudder veranstaltet wird. Es ist ein Runden-Format, bei dem die Läufer versuchen, innerhalb der 24 Stunden so viele Runden wie möglich zu laufen. World’s Toughest Mudder fand erstmals 2011 in New Jersey statt. Nachdem das Rennen 4 Jahre lang in Lake Las Vegas veranstaltet wurde, übersiedelte es in diesem Jahr nach Atlanta. Ich war letztes Jahr zum ersten Mal zum World’s Toughest Mudder in Las Vegas und habe mein Ziel erreicht, 50 Meilen zu laufen und eine begehrte braune Bib zu verdienen. (Hier mein Blogpost über meine Erfahrungen aus dem letzten Jahr) Ich war auch sofort vom Kamaradschaftsgeist und Teamspirit  begeistert und beschloss, mich erneut für das Rennen in Atlanta anzumelden. World's Toughest Mudder

World’s Toughest Mudder – von HOTlanta zu MUDlanta

Als die Leute zum ersten Mal hörten, dass das Rennen nach Atlanta umziehen würde, waren einige etwas enttäuscht. Sie waren der Meinung, dass Atlanta eine zu „heiße“ Stadt wäre, und dass das Rennen zum ursprünglichen, schlammigen und eiskalten Austragungsort in New Jersey zurückkehren sollte. Es sieht so aus, als wären ihre Wünsche wahr geworden. Die Wettervorhersage für Atlanta prognostizierte Sonnenschein, aber eiskalte Temperaturen. Für den Tag vor dem Rennen, an dem in der Regel die Zeltstadt am Renngelände – auch „The Pit“ genannt- aufgebaut wird, sollte es heftig regnen. Und auch das ist passiert. Am Tag des „Pit Load-Ins“ hatten viele Zeltplätze große Wasserpfützen. Und die Wege zwischen den Zelten waren nur ein schlammiges Durcheinander. Im Grunde sah der Kurs auch am nächsten Tag so aus. Erst schlammig und dann gefroren schlammig. Eine Woche bevor ich zum World’s Toughest Mudder aufbrach, hatte ich die Wetterprognose angeschaut und zusätzliche Ausrüstung bestellt, um die Kälte und das schlammige Gelände besser überstehen zu können. Ein extra dicker Neuprenanzug mit Kapuze und ein zusätzliches Neoprenshirt mit Kapuze. Das Paket kam pünktlich an, aber leider mit dem falschen Inhalt. Als ich somit meine Koffer für World’s Toughest Mudder packte, war ich nur mit der gleichen Ausrüstung wie letztes Jahr vorbereitet, wo die Tiefsttemperaturen immer noch höher waren als die Höchsttemperaturen in Atlanta.

Klarer Himmel, Sonnenschein und eisige Kälte

Am Start von World’s Toughest Mudder 2018 sah alles noch gut aus. Der Sonntag schien, es gab keine einzige Wolke am Himmel. Jeder schien glücklich und entspannt zu sein. Wir hörten die inspirierende Rede von Sean Corvelle, den Dudelsackspieler Jon Copper und dann ging es auch schon los. Die erste Stunde des Rennens wird als Sprintrunde bezeichnet, da Hindernisse im Allgemeinen geschlossen sind. So starteten alle so schnell wie möglich. Schnell wurde mir klar, dass ich zu warm angezogen war und in der Sonne überhitzen würde. Dies wurde in Runde 2 und 3 definitiv besser, sobald die Wasserhindernisse offen waren. Bis Sonnenuntergang gegen 18 Uhr konnte ich sogar eine vierte Runde laufen. Nach Sonnenuntergang fielen die Temperaturen allerdings ziemlich schnell. Ich musste Wärmepackungen in meinen Neoprenanzug stecken, um warm zu bleiben. Leider habe ich die meisten meiner Wärmepackungen in dieser einen Runde schon aufgebraucht und war mir daher nicht sicher, wie viele weitere Runden ich schaffen könnte. Ich entschied mich auch für die elektrische Route, da es bedeutete, dass ich einige Wasserhindernisse auslassen konnte und weil ich wusste, dass ich es ohne elektrischen Schock schaffen würde. Am Ende meiner fünften Runde stieß ich auf Anne Champagne, eine Elite-Läuferin, der wahrscheinlich mehrere Runden vor mir lag. Sie war unterkühlt und zitterte sehr. Sie konnte nicht mehr laufen und zwei andere Männer begleiteten sie – einer an jedem Arm – zurück in die Pit Area. Was ich sah, machte mich nachdenklich. Ich hatte noch einen dicken Neoprenanzug und einen Satz Handwärmer, die ich verwenden konnte. Dies könnte mich vielleicht durch eine oder zwei weitere Runden bringen, bevor mir zu kalt werden würde. Ich hätte dann fast keine Chance, eine letzte Runde nach 8 Uhr zu beenden und als 24-Stunden-Finisher zu gelten. Und so entschied ich, dass es das Risiko nicht wert war. Nach meiner fünften Runde blieb ich stehen, zog die nassen Sachen aus und kuschelte mich für den Rest der Nacht in meine zwei Schlafsäcke. Ich wartete nur noch auf den Sonnenaufgang und meine letzte Runde. World's Toughest Mudder

Wenn die Hölle zufriert*

Während ich in meinen zwei Schlafsäcken lag, konnte ich nicht schlafen. Die Musik und die MCs im Race Village waren einfach zu laut und mein Adrenalinspiegel war zu hoch. Darüber hinaus hustete ich stark. Mir wurde später gesagt, dass dies völlig normal ist, wenn man zu lange in kalter Luft stark atmen muss. Das Schlafen war also im Grunde unmöglich. Zumindest war mir in meinen zwei Schlafsäcken mit zusätzlichen Handwärmern gemütlich warm. Mitten in der Nacht hörte ich die Ankündigung der MCs, dass einige der Hindernisse aufgrund von Frost und Eis geschlossen wurden. Anfangs waren es nur wenige. Sie wurden jedoch im Laufe der Nacht mehr und mehr, bis die Rennleitung am Ende 9 der 26 Hindernisse geschlossen hatten. Underwater Tunnels und Cage Crawl waren während der Nacht sowieso geschlossen. Everest, Gauntlet, Leap of Faith, T-Boned, Skidmarked, Lumberjacked und Ladder to Hell wurden wegen Eis geschlossen. (Später habe ich gesehen, wie Ladder to Hell aussah. Es hatte mindestens drei Zentimeter gefrorenen Schlamms auf der ganzen Fläche, was das Hindernis zu einem echten Sicherheitsrisiko machte.) Während ich also versuchte, nicht in meinem Zelt einzufrieren, fror alles und alle anderen auf der Strecke ein. Gegen vier Uhr Nachts schaute ich nach meinen Freund Lukas, der sich zu dem Zeitpunkt unter den Top 5 befand. Er war auch in seinem Zelt, bibberte und versuchte sich aufzuwärmen. Ich gab ihm meine restlichen Handwärmer, da ich wusste, dass ich sie nicht mehr brauchen würde.

World's Toughest Mudder

gefrorene Jacke auf meinem gefrorenen Zelt

Die letzte Runde

Kurz vor Sonnenaufgang zog ich mir mit der Hilfe der Orphan Tent Freiwilligen in meinen verbleibenden trockenen Neoprenanzug an. Ich beschloss, mich mit meiner Freundin Rhonda auf eine lockere Siegesrunde zu begeben. Wir hatten uns letztes Jahr kennengelernt und dies war ihr erstes World’s Toughest Mudder als Läuferin. Und ich hatte definitiv den größten Spaß, den ich während des gesamten Rennens hatte. Die Sonne schien in mein Gesicht, ich war warm und nicht verletzt, und ich quatschte und lachte mit einer guten Freundin.
Als wir die Ziellinie überquerten, weinten wir beide. Ich war unglaublich stolz auf sie und freue mich sehr, dass ich diesen Moment mit ihr geteilt habe!

World's Toughest Mudder

World’s Toughest Mudder victory lap

Sicher ist sicher

Bin ich enttäuscht, dass ich nicht wie im vergangenen Jahr 50 Meilen erreicht habe? Ja, ein wenig. Ich bin aber auch froh, dass ich unter diesen Umständen nicht meine Gesundheit riskiert habe. Laut Statistik starteten nur rund 1200 Teilnehmer von 1500 und nur rund 750 beendeten das Rennen. Dies entspricht einer Abbruchrate von fast 50%. Ich sah Menschen, die stark unterkühlt waren und sich verletzten, während sie von Hindernissen herunter fielen. Ist mein Ego das Risiko einer ernsthaften Verletzung wert? Wahrscheinlich nicht.
Im Gegenteil, ich habe gesehen, dass so viele meiner Freunde unter diesen Bedingungen auch wirklich tolle Leistungen erbracht haben. Wie Nick und Dalfim, die zum ersten Mal 50 Meilen zurückgelegt haben. Oder mein Buddy Lukas, der 85 Meilen und damit den unglaublichen 6. Platz erreichte. Oder Anke, die ihr 100. Tough Mudder-Event absolvierte und mit einem goldenen Stirnband gekrönt wurde. Ich habe auch so viele nette Gesten von Kamaradschaftsgeist und Teamspirit gesehen, wo sich völlig fremde Menschen gegenseitig bei Hindernissen helfen.
Es ist dieser Spirit, der dieses Event so besonders macht und warum es mir so sehr am Herzen liegt.
MUDlanta: Ich komme wieder!
* Zitat von Anke
World's Toughest Mudder