„Eine Geburt ist wie ein Marathon“ hört man häufig von Nicht-Marathonläufern. Ja, beides sind anstrengende, schmerzhafte Workouts mit einer großen Belohnung am Ende und einer langen, mühsamen Erholung. Als ich in 2018 12 Marathons  für den guten Zweck lief und nach Marathon No. 9 schwanger wurde, glaubte ich, ich wäre ausreichend auf die Anstrengungen der Geburt vorbereitet. Ich dachte, ich würde dieses „schmerzhafte Ereignis“ relativ leicht überstehen und mich aufgrund meiner Fitness und mentalen Stärke schnell erholen. Und das war zumindest teilweise so.

So hat mich das Marathonlaufen auf die Geburt vorbereitet

Das Training

Jeder weiß, dass man körperlich fit und vorbereitet sein müssen, um einen Marathon zu laufen. Eine Entbindung ist nicht anders. Es ist ein ziemlich anstrengendes Workout. Zum Glück bereitet sich der Körper unbewusst auf die Geburt vor. Bereits vor der Geburt spürt man so etwas wie „Übungswehen“, die auch als Braxton-Hicks-Kontraktionen bezeichnet werden. Damit bereitet sich die Gebärmutter, die eigentlich nur ein Muskel ist, auf echte Wehen vor.

Zusätzlich zu den natürlichen Gebärmutterkontraktionen habe ich versucht, meine Fitness während meiner gesamten Schwangerschaft durch Laufen, Indoor Cycling und Krafttraining aufrechtzuerhalten. Das hat mir geholfen, Rückenschmerzen und übermäßige Gewichtszunahme zu vermeiden. Und meine Arme und mein Oberkörper waren auch viel stärker, um mein Baby danach zu tragen (und das macht man als Mutter sehr, sehr oft). Hier geht es zu meinen Blogbeitrag über die Vorteile und Risiken des Trainings während der Schwangerschaft.

Die Ernährung

Marathonläufer wissen, dass die Ernährung das Rennen stark beeinflussen kann. Es wird empfohlen, ein leicht verdauliches Frühstück mit wenig Ballaststoffen zu essen und während des gesamten Rennens leicht verdauliche Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Darüber hinaus sollten man immer ausreichend Flüssigkeit trinken. Grundsätzlich habe ich bei der Geburt die gleiche Strategie verfolgt. Ich hatte noch ein leichtes Abendessen, bevor ich ins Krankenhaus gefahren wurde (während ich leichte Wehen hatte), und später während der Wehen trank ich ein spezielles Sportgetränk, das leicht verdauliche Kohlehydrate und Elektrolyte enthielt. Und das behielt ich auch bei, bis ich eine Infusion bekam.

Nach dem (Marathon) Rennen wird empfohlen Kohlenhydrate und Eiweiß zu sich zu nehmen und seine Speicher aufzufüllen. Und das sollten man auch nach der Geburt tun. In meinem Fall habe ich gesunde, ballaststoffreiche Speisen aus dem Krankenhausmenü ausgewählt. Die zusätzlichen Ballaststoffe war außerdem hilfreich, um Schmerzen beim Stuhlgang nach der Geburt zu vermeiden.

Die Ausrüstung

Jeder Marathonläufer weiß: Training und Ernährung sind wichtig, aber das ist auch die richtige Ausrüstung am Renntag. Und die Geburt ist in vielerlei Hinsicht ähnlich. Man möchte mit dem richtigen Werkzeug ausgestattet sein, um die Geburt zu bekommen, die man sich wünscht. Dies kann ein Geburtshocker, ein großer Gymnastikball, ein CD-Player oder Bluetooth-Lautsprecher, ein Stuhl, eine Badewanne, ein Massageöl oder auch nur ein Babyspielzeug sein, das man bei den Wehen einfach drücken kann. Man sollte Klamotten tragen, in dem man sich wohl fühlt, die aber auch schmutzig werden können. Und genau wie bei einem Marathon gilt: immer ein Haarband mit dabei haben, damit die verschwitzen Haare nicht ins Gesicht hängen.

Die Erholung

Wer an den ersten Marathon denkt, kann sich sicher noch an die Erholung danach erinnern. Denn die ist wirklich schwer. Man ist tagelang nicht in der Lage zu gehen und fühlt sich einige Wochen lang erschöpft. Vielleicht hatte man Schmerzen und konnten wegen des ganzen Adrenalins nicht richtig schlafen. Eine Geburt ist ähnlich, egal ob natürlich oder per Kaiserschnitt. Die Erholung dauert eine Weile, also sollte man sich da auch genügend Zeit nehmen. Bleib also so lange im (Wochen)Bett, wie du willst und brauchst. Versuche, gut zu schlafen, soweit das mit dem Baby klappt, und nahrhafte und gesunde Lebensmittel zu essen. Sei stolz auf das, was du erreicht hast. Sauge dieses Gefühl so gut wie möglich auf. Bald wirst du dich wieder stärker fühlen als jemals zuvor.

Die Support-Crew

Eine gute Support-Crew ist wichtig für den Marathon. Man möchte Leute um sich haben, die einem die Ängste vor dem Rennen nehmen, einen während des Rennens anfeuern, und anschließend mit einem feiern. Auch zur Geburt braucht man eine solche Support-Crew. Dies kann natürlich der Arzt, die Hebamme, die Doula usw. sein. Am wichtigsten ist jedoch, dass der eigene (Geburts-) Partner mit im Team ist. Denn bei einer Geburt ist wirklich Teamwork gefragt. Idealerweise sollte der Geburtspartner dich bei allem unterstützen, was du brauchst, und deine Stimmung verbessern, wenn du dich schlecht fühlst. Denn Marathonlaufen und Gebären ist wirklich eine große Herausforderung, und die meistert man im Team viel besser.

Mentaltraining

Heutzutage wird Mentaltraining als ein Eckpfeiler der Vorbereitung von Marathonläufern und anderen Athleten angesehen. Vielleicht hast du schon einmal im Fernsehen einen professionellen Skifahrer gesehen, der sich vor dem Rennen vorstellt, wie er die Strecke hinunter fährt und seinen Körper dementsprechend bewegt. Und es hat sich gezeigt, dass verschiedene Visualisierungstechniken die körperliche Leistungsfähigkeit während des Wettkampfs steigern können. Und obwohl ich keine professionelle Läuferin bin, glaube ich, dass die richtige Einstellung und das richtige mentale Training nicht nur das Ergebnis, sondern auch das Erlebnis am Renntag verbessern können.

Dies gilt auch für die Geburt und Entbindung. Es gibt viele Visualisierungstechniken, die man vor dem Entbindungstermin üben kann. Einige Techniken sind recht einfach, wie die Visualisierung einer sich öffnenden Blume oder von Wellen im Ozean. Andere werden mit ausgefallenen Namen wie Hypnobirthing vermarktet. Ich habe persönlich ein paar Bücher gelesen und ein paar einzelne Strategien ausgewählt, die mir gefallen haben. Und ich denke, dass sie mir während meiner intensiven Geburt zumindest ein wenig geholfen haben.

Wie Marathonlaufen mich nicht auf die Geburt vorbereiten konnte

Der Schmerz

Ich muss da einfach ehrlich sein: Die Geburt ist weitaus schmerzhafter als jeder Marathon. Es ist schwierig, die Schmerzen zu beschreiben, wenn man sie noch nie zuvor erlebt haben. Es ist wahrscheinlich das schmerzhafteste Workout, das man als Frau jemals im Leben machen wird. Aber selbst wenn es wirklich schmerzhaft ist, gibt es nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Als Frau entwickelt man weibliche Superkräfte und findet eine unglaubliche Energie, von der man nie wusste, dass man sie besitzt. Glaub mir, jede Frau hat sie. Auch du!

Die Dauer

Ein Marathon hat eine feste Distanz von 42,195 km. Man kennt wahrscheinlich sein Tempo und weiß, dass man den Lauf in etwa x Stunden beenden kann. Bei der Geburt ist das nicht der Fall. Bei einer natürlichen Geburt weiß man nicht, wann sie beginnen wird, wann sie enden wird und wie lange sie dauern wird. Es könnten zwei Stunden oder zwei Tage sein.

Für mich war das ein bisschen beunruhigend. Mein Baby war bereits überfällig und ich hatte Angst vor einer Einleitung. Selbst als es dann doch von alleine losging, wusste ich nicht, wie lange es noch dauern würde, bis ich endlich all die Schmerzen überstanden hätte (siehe Punkt oben). Ich wusste nicht, ob ich noch genügend Energiereserven hatte, vor allem, weil es meine erste Geburt war. Am Ende dauerte die Entbindung fast 24 Stunden. Obwohl ich schon (Ultra)Marathons und sogar ein 24-Stunden-Rennen absolviert habe, war ich darauf völlig unvorbereitet.

Die Freude

Wenn man einen Marathon finished, ist man glücklich. Glücklich, dass man es geschafft hat. Glücklich, dass man das Ziel erreicht hat. Glücklich über die Medaille, die man bekommt. Aber alle Freuden des Marathonlaufs sind so gering im Vergleich zu dem Gefühl, das erste Mal sein Kind im Arm zu halten. Wenn man es zum ersten Mal schreien hört. Und wenn man zum ersten Mal diesen kostbaren Babyduft riecht. Dieses Gefühl der Freude übersteigt das eigene Vorstellungsvermögen, wenn man es noch nie erlebt hat. Und plötzlich haben sich all die langen Stunden mit Schmerzen und Komplikationen mit nur einem Augenblick gelohnt.